Rufmord in der Süddeutschen Zeitung?

Qualitäts-Journalismus adé?

In der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 13./14.4.2019 erschien ein Artikel mit dem reißerischen Titel auf Seite eins: „ANGST UND YOGA Seit Jahren führt eine fanatische Yoga-Gruppe Justiz und Polizei vor > Buch Zwei“. Der eigentliche Artikel ist dann mit dem Titel „Der Guru“ überschrieben. Jegliche journalistische Standards werden darin von den beiden Verfassern, den Journalisten Julius Heinrichs und Ralf Wiegand, mit Füßen getreten. Es wurde weder ordentlich recherchiert, noch erfolgt eine wahrheitsgemäße Darstellung, was grundlegend für einen qualitativ hochwertigen Journalismus wäre. Der ganze Artikel strotzt nur so von falschen Tatsachenangaben, stellt falsche Zusammenhänge her und wimmelt von Mutmaßungen und Anschuldigungen ohne Tatsachengrundlage. Darüber hinaus bedienen sich die beiden Autoren sozusagen als Umrahmung des gesamten Artikels sämtlicher Sektenklischees, wohl um beim Leser emotional Stimmung zu machen. Das Ganze ist mit zahlreichen Zeichnungen von Peter M. Hoffmann in einem düsteren comicartigen Stil garniert, unter anderem mit einer Waschmaschine, in der man einige Gehirne liegen sieht. Das soll wohl eine bildliche Darstellung für Gehirnwäsche sein.

Zielobjekt dieses rufschädigenden Machwerkes ist der Buchautor, Referent, Begründer eines Yogaweges, Heilpraktiker und Kletterer Heinz Grill. Sogar die Darstellung seiner beruflichen Tätigkeit in dem Artikel ist schlichtweg falsch: Heinz Grill ist weder Bergführer, noch autodidaktischer Heiler, noch Anthroposoph und bezeichnet sich auch selbst nicht so. Das Motiv dieser falschen Darstellung ist meines Erachtens ziemlich offensichtlich: mit „autodidaktischer Heiler“ beispielsweise soll der Eindruck von Scharlatanerie erweckt werden. Dies wird an anderer Stelle in dem Artikel dann fortgeführt, indem die Autoren die verleumderische Behauptung aufstellen, Heinz Grill würde den Übungen geradezu magische Kräfte sogar bei Krebserkrankungen zusprechen. Das Ganze ergänzen sie mit einem aus dem Gesamtzusammenhang gerissenen Zitat bezüglich Krebserkrankung und OP aus einem Buch von Heinz Grill, so dass der falsche Eindruck von grober Fahrlässigkeit entsteht.

Den Hauptanteil des Artikels stellt der Versuch dar, den lange bestehenden Familienkonflikt in der Familie B., der schließlich mit dem Tod von Christine und Wilhelm B. eskalierte, in einen Zusammenhang zu Heinz Grill zu bringen. Über die Zurechnung des tatverdächtigen Schwiegersohnes Klaus O. als Anhänger, d.h. als Sektenmitlied, zu Heinz Grill soll der Tod der Eltern B., bei dem es sich vermutlich um Suizid handelte, letzterem als Mord zugeschoben werden.

An mehreren Stellen sprechen die Autoren von Mord oder vom mutmaßlichen Mörder, obwohl die Anklageschrift gegen Klaus O. den Antrag enthielt diese von Mord auf Totschlag herunterzustufen. Es gehört zum Einmaleins eines jeden Journalisten, solche Begriffe sehr genau zu unterscheiden. Die ganze Sektenstory wäre jedoch ohne Mord nur noch halb so interessant und würde auch nicht mehr so schön aufgehen. So bietet es sich offensichtlich für die Autoren an, es nicht so genau mit den Fakten zu nehmen. Heinz Grill war jedenfalls nicht Beschuldigter in dem Ermittlungsverfahren, sondern lediglich Zeuge.

Es gibt auch ein sehr aufschlussreiches youtoube-Video mit einem Interview von Marika Mandala mit Heinz Grill, wo er sich zu dem Artikel der Süddeutschen Zeitung und den zugrundeliegenden Sachverhalten selbst äußert (siehe hier). Die journalistische Qualität des Interviews ist meines Erachtens sehr hochwertig, obwohl die Interviewerin nicht einmal Journalistin ist. Hingegen widerspricht es einfach einem journalistischen Ehrgefühl und auch einem grundlegenden menschlichen Ehrgefühl, einen Artikel über einen Menschen zu verfassen, ohne diesen Menschen auf angemessene Weise in die Recherchearbeit einzubeziehen. Heinz Grill äußert sich diesbezüglich auch in dem Interview.

Die informationellen Grundlagen dieses Artikels stufe ich als äußerst einseitig und daher sehr mangelhaft ein: Die Seite von Heinz Grill wurde in den Recherchen nicht beachtet und von polizeilichen Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaft haben die Autoren, wie sie selbst angeben, keine Auskünfte erhalten. Als Quelle für Informationen bleiben somit nur noch Mitglieder der Familie B. oder deren Anwälte übrig. So ist es auch keine große Überraschung, dass der gesamte Artikel maßstabsgetreu das Bild des Sektenvorwurfes wiedergibt, mit dem die Ärztin Christine B. vor einigen Jahren ehemalige Patienten und Schüler zu beschuldigen und zu verfolgen begann, als diese sich nach vergeblichen Versuchen der Klärung bezüglich der von ihr begangenen Arztrechtsverletzungen gezwungen sahen, auf juristischem Wege zu ihrem Recht zu kommen. Diese von Christine B. wider besseren Wissens getätigte Sektenbeschuldigung ohne jegliche Tatsachengrundlage ist mit ihrer suggestiven und manipulierenden Wirkung bis heute wirksam. Sie wird von den Erben B. nicht nur weitergeführt, sondern von diesen bis zum mehr oder weniger direkt ausgesprochenen Mordvorwurf hochstilisiert, obwohl auch ihnen bekannt ist, dass es sich bei der Sektenbeschuldigung um eine Lüge handelt. Der im Artikel benannte ideologische Kampf und der damit verbundene Missbrauch der Justiz liegt nicht, wie behauptet, bei den ehemaligen Patienten und Schülern, die geklagt haben, sondern tatsächlich auf Seiten von B. Die geschädigten Patienten und Schüler wurden mit den von Christine B. absichtlich provozierten Klagen, die sie dann weiter zur religiösen Verfolgung nutzte, gegen ihren Willen in diesen hineingezwungen (Genaueres zum Justizmissbrauch durch Christine B. ist hier zu finden).

An zwei Beispielen möchte ich aufzeigen, wie in dem Artikel aus einem Mix von Falschangaben, Weglassen von wesentlichen Tatsachen, Mutmaßungen und Sektenklischees nicht vorhandene Zusammenhänge einer Sekte konstruiert werden:

Die Verfasser führen eine Polizeikontrolle von Klaus O. und drei Freunden vom 5. Februar 2014 an. Dass es sich bei der von den 4 Freunden geplanten Sache um eine Aktion in Zusammenhang mit einem Konflikt in der Familie B. handelte, wie aus dem Polizeiprotokoll vom 7.2.2014 direkt hervorgeht, verschweigen sie. Stattdessen erfolgt die obligatorische Zuordnung zum angeblichen Grill-Umfeld. Die Autoren geben wahrheitswidrig an, dass die Polizeikontrolle vor der Villa der Eltern B. stattfand (das unterstreicht die große Gefahr, die angeblich vorlag), tatsächlich war dies aber in etwa 5 km Entfernung. So wie die Polizeikontrolle im Artikel dargestellt und in Zusammenhang gebracht wird, ist es für den Leser, der ja in der Regel die tatsächlichen Fakten nicht kennt, schon fast nicht mehr überraschend, dass es, wie die Verfasser schreiben, 7 Monate später zu dem mutmaßlichen „Mord“ durch Klaus O. kam. Nur handelt es sich hier wieder um eine Falschangabe: tatsächlich verstarben die Eltern B. im September 2015, d.h. 19 Monate später, also mehr als eineinhalb Jahre danach. Mit dieser Falschangabe soll wohl wiederum versucht werden, einen Zusammenhang herzustellen, wo keiner ist.

Die Darstellung des Familienstreites bei B. ist ebenfalls – wie schon nicht mehr anders zu erwarten – irreführend. Die Tochter Cornelia klagte nicht, wie im Artikel behauptet wird, ihr Erbe vorzeitig ein, sondern sie klagte gegen den Vertragsbruch der Familien-KG, an dem sie damals Teilhaberin war. Die ihr zustehenden Ausschüttungen waren unterschlagen worden, da sie sich nicht den sittenwidrigen Forderungen ihrer Eltern, u.a. sich von Klaus O. scheiden zu lassen, fügte. Im Februar 2015 kam es zu einem umfassenden Vergleich, wo sie – ganz im Gegenteil zu der falschen Angabe im Artikel – auf ihr Erbe verzichtete und unter Drängen der Familie u.a. den KG-Anteil zurückgab. Die vertragsmäßig festgelegte Abfindung entsprach weniger als 50 % ihres KG-Anteils und wird über 10 Jahre verteilt an Cornelia ausgezahlt. Dass es sich bei den Auszahlungen um hohe Summen handelt, wie die Autoren schreiben, ist zwar richtig, sie lassen jedoch wieder geflissentlich einen wesentlichen Teil der Tatsachen weg: diese Summen sind nämlich im Vergleich zu dem Millionenvermögen der B.s geringfügig. Damit entsteht der falsche Eindruck, Cornelia hätte sich hier zum Schaden des Restes der Familie bedient. Und zwar zu welchem Zweck? Mit der noch hinzugefügten Angabe, die Anwälte ihrer Geschwister gingen davon aus, dass sie damit die Grill-Gruppe finanziere (hierbei handelt es sich schlichtweg um eine Unterstellung), wird dies alles ebenfalls in den postulierten Sektenzusammenhang gebracht. Eine nicht von der Hand zu weisende Tatsache ist jedoch, dass es die Geschwister waren, die nach dem Tod der Eltern das riesige Millionenerbe erhielten und den Erbanteil von Cornelia zusätzlich noch dazu.

Eine ordentliche Recherche der beiden Journalisten hätte zu Tage gebracht, dass Heinz Grill jedenfalls kein „Guru“ ist und dass die strafbaren Handlungen bei Christine B. liegen, die sich selbst als große spirituelle Meisterin sah und ihre Yoga-Schüler zu Verehrung anhielt. Es geht sowohl aus der Internetseite www.heinz-grill.de, wie aus verschiedenen Interviews und auch aus seinen Büchern hervor, dass Heinz Grill Verehrungsgefühle ihm gegenüber als äußerst unangemessen sieht und dass er jegliche Gruppenbildung ablehnt und als kontraindiziert für die Entwicklung von Spiritualität einstuft. Weiterhin verspricht er nicht Erleuchtung, wie fälschlich im Artikel behauptet wird, sondern betont, wie wesentlich eine eigenständige Auseinandersetzung und Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen auf dem Gebiet der Spiritualität ist. Es wird auch deutlich, dass er keine Yogaschule betreibt, sondern als Referent, Vortragender und Buchautor tätig ist, d.h. als Einzelperson. Wenn man das aber zur Kenntnis nehmen würde, könnte man natürlich das konstruierte Sektenbild bezüglich Heinz Grill und den ehemaligen Patienten und Yogaschülern von Christine B. nicht mehr aufrecht erhalten.

Zielobjekt eines solchen Rufmordes, wie er hier geschieht, kann jeder werden. Damit so etwas nicht möglich ist, befürworte ich einen Journalismus mit guter Qualität. Ich finde es ziemlich schockierend, dass die Süddeutsche Zeitung solch einen regelrechten Hetzartikel abdruckt. Sie stellt sich damit meiner Einschätzung nach auf ein journalistisches Niveau, das noch unterhalb dem der Bild-Zeitung liegt.