Mensch und Individualität

Jeder Mensch ist eine individuelle Persönlichkeit, eine Individualität (lat.: Ungeteiltheit). Jeder bringt individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten in das Leben mit. Es gibt keine zwei gleichen Menschen, selbst Zwillinge mit noch so gleichem physischen Äußeren sind in ihrem individuellen Wesen unterschiedlich.

Jeder Mensch trägt mit seinen Gedanken, Gefühlen und Handlungen zu einem Gesamten in der Welt bei. Es kann kein Mensch einen anderen direkt ersetzen. Zwei Menschen können die gleiche Handlung tätigen und doch ist sie durch die jeweilige Individualität unterschiedlich geprägt. Der eine handelt vielleicht aus einem tiefen Mitgefühl, der andere setzt die gleiche Handlung mit einem besonders kämpferischen Geist um, usw.

Wir leben heute in einer Zeit, in der der Wert des einzelnen Menschen verloren zu gehen droht. Mit der weit vorangeschrittenen Mechanisierung und Technisierung sind wir es gewöhnt, dass man eine Maschine mit einer anderen ersetzen kann. Dies wird zunehmend auf den Menschen übertragen. Der Mensch wird zur austauschbaren Massenware.

Ein Sinn für die Tatsache, dass jeder Mensch einen individuellen und einzigartigen Wert hat, drückt sich auch in der Aussage „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Art. 1 Abs. 1 GG) aus. Dieser Sinn wird heute kaum mehr entwickelt. Das Interview „Was ist Würde?“ von Götz Wittneben und Harald Hüther ist diesbezüglich sehr interessant und aufschlussreich.

Zwei wesentliche Aussagen aus dem Interview zur Würde des Menschen: 1) Behandelt ein Mensch einen anderen Menschen würdelos, z.B. mit Verleumdungen, dann verliert oder verletzt er am allermeisten seine eigene Würde. 2) Die Würde steht in einem direkten Zusammenhang damit, dass der Mensch sich als Subjekt erlebt, und nicht nur reduziert als ein Objekt.

Die Grundrechte geben eine entscheidende Basis, damit die Individualität des Menschen im Leben wirksam werden kann. Der Staat ist verpflichtet, die Würde des Menschen zu schützen und er ist in Gesetzgebung, in vollziehender Gewalt, wie auch in der Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden.

Der Mensch kommt jedoch nicht schon als ein fertiges Wesen auf die Welt, sondern er entwickelt seine Individualität im Laufe seines Lebens durch verschiedenste Erfahrungen und Lernschritte. Kann der Einzelne seine Fähigkeiten und Möglichkeiten voll zur Entfaltung bringen, so ist dies nicht nur ein Gewinn für ihn selbst, sondern immer auch für die Gesamtheit der Menschen. Jeder einzelne Mensch ist von Bedeutung.

Mit den Grundrechten werden wesentliche Grundbedingungen in einer Gesellschaft geschaffen, die den Einzelnen in der Entwicklung seiner Individualität fördern. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Freiheit der Person (Art. 2 GG) sind hier zu nennen. Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und das Diskriminierungsverbot wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, religiöser und politischer Anschauungen, Behinderung (Art. 3 GG) sind weitere Grundrechte. Für die Individualität ebenfalls sehr entscheidende Grundrechte sind die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, sowie die ungestörte Religionsausübung (Art. 4 GG). In Deutschland werden diese und weitere Grundrechte im Grundgesetz garantiert.

Werden Grundrechte in einer Gesellschaft nicht gewährleistet bzw. verletzt, so besteht eine große Gefahr des Unrechts bis hin zur völligen Entrechtung und auch die Individualität des Menschen ist damit unmittelbar bedroht.

Ziel dieser Seiten ist es, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Individualität des Menschen zu schaffen und für das Verhältnis zwischen dem einzelnen Menschen zur Gesellschaft und zum Staat, welche Rolle die Grundrechte hierbei einnehmen und welche teils gravierenden Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen entstehen, wenn diese missachtet werden.